Wenn jemand eine gute Idee hat oder ein besonderes Produkt auf den Markt bringt, dann dauert es nicht lange und es gibt die ersten Nachahmer. So ist das bei Marken-Sneakers, in der Politik und auch bei Apps. Clubhouse hat Anfang des Jahres bei uns in Deutschland für großes Aufsehen gesorgt. Mein Kollege Jens hatte hierüber im Blog geschrieben. Jeder wollte Teil der Live-Podcast-App sein und Thomas Gottschalk, Joko Winterscheidt und Christian Lindner beim Plaudern zuhören. Der ein oder die andere von euch war bestimmt auch neugierig. Ich selbst habe eine Einladung für die App bekommen und mir zahlreiche Live-Talks angehört. Wie schaut es aber heute aus? Ist der Hype um die App immer noch so groß? Und gibt es mittlerweile auch den ein oder anderen Konkurrenten für Clubhouse?
Clubhouse – Top oder Flop?
Die Clubhouse-App gibt es mittlerweile ein Jahr und sie wurde laut dem Mobile-Analytics-Dienst App Annie 13 Millionen Mal heruntergeladen, alleine in Deutschland über 735.000 Mal (Stand März 2021). Die Live-Podcast-App schaffte es zeitweise sogar auf Platz zwei der Downloadcharts. Gefühlt wollte jeder eine der heiß begehrten Einladungen haben. Das ist nämlich einer der Haken: Zugang zur App bekommen nur Menschen, die vorher von einem Mitglied eine Einladung erhalten haben. Davon hat jedes Mitglied am Anfang allerdings nur zwei. Ein weiterer Haken: Nur mit einem iPhone kann die App überhaupt verwendet werden.
Die Verknappung macht das Ganze am Ende natürlich noch einmal interessanter – auf Ebay sind teilweise Clubhouse-Einladungen für 50 Euro und mehr angeboten worden. Hier kommt das Phänomen Fomo zum Vorschein. Fomo steht für „Fear of missing out“ und das Gefühl etwas zu verpassen, wenn man nicht dabei ist. Dazu kommt dann noch der Lockdown: Einige Menschen haben nur noch wenige soziale Kontakte und fühlen sich einsam. Die Clubhouse-App bietet hier eine gute Alternative, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Auch in Sachen Marketing ist Clubhouse interessant. Einige Unternehmen haben die Live-Podcast-App für sich entdeckt und einen eigenen Account angelegt: Der FC Bayern München zum Beispiel, Edeka, DM oder auch Congstar. Nach jetzigem Stand verstoßen Markenprofile allerdings gegen die AGBs von Clubhouse und werden teilweise sogar gesperrt. Wenn man für ein Unternehmen oder eine Marke auftritt, dann am besten nur als Sprecher:in. So hat das zum Beispiel Tchibo bei einem Clubhouse-Gespräch zum Thema Nachhaltigkeit gemacht. Im Rahmen des „5 Tassen täglich“-Podcasts sind dort einzelne Sprecher:innen zu Wort gekommen.
„Social-Media-Hype Clubhouse – Eliten unter sich“ (Spiegel)
„Clubhouse: Was steckt hinter der neuen Hype-App?“ (Handelsblatt)
„Clubhouse – der Social-Media-Hype der Stunde“ (WDR)
„Hype-App der Stunde: Das müssen Sie über Clubhouse wissen“ (Redaktionsnetzwerk Deutschland)
Clubhouse – Aktueller Stand
Der Hype um Clubhouse ist mittlerweile nicht mehr so groß. Das liegt zum einen daran, dass die App noch immer nicht für Android verfügbar ist. In Deutschland verzeichnet das Betriebssystem von Google einen Marktanteil von rund 75 Prozent. Auf Apples iOS kommen damit nur etwa 25 Prozent. Der Großteil der Smartphone-Benutzer hat also bis heute überhaupt gar nicht die Möglichkeit auf die Live-Podcast-App zuzugreifen. Zu Beginn haben sich außerdem viele Prominente und Influencer:innen auf der Plattform getummelt. Toni Kroos, Elon Musk oder auch Caro Daur – sie alle haben den Hype bei uns in Deutschland befeuert. Auch Politiker:innen haben fleißig mitgemischt, Christian Lindner zum Beispiel oder auch Lars Klingbeil. Den ein oder die andere habe ich auch schon in einem der „Räume“ auf Clubhouse erwischt und gespannt zugehört. Heute ist das eher die Ausnahme. Bekannte Leute sind auf Clubhouse kaum noch unterwegs.
Kritik an Clubhouse
Die Entwickler der Clubhouse-App werden immer wieder mit Kritik konfrontiert. So hat zum Beispiel der Verbraucherzentrale Bundesverband Ende Januar eine Abmahnung an die Entwickler der Live-Podcast-App geschickt. Es geht dabei um gravierende rechtliche Mängel: Das Unternehmen speichert die Kontaktdaten der Nutzer und überträgt sie auf Server in den USA. Außerdem werden die Gespräche in Clubhouse auf US-Servern aufgezeichnet. Ein weiterer Kritikpunkt ist zudem die Datenschutzerklärung, die nur auf Englisch vorliegt und nicht auf Deutsch – ebenso die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Das Impressum fehlt sogar komplett.
Clubhouse schneidet auch beim Datenschutzcheck der Stiftung Warentest schlecht ab. Die Live-Podcast-App speichert jede Menge Nutzerdaten: So zum Beispiel bei welchem Mobilfunkbetreiber wir sind, welche Chaträume wir besuchen und wann wir die App nutzen. Die Daten laden am Ende auf den Clubhouse-Servern, bei Apple oder bei einer amerikanischen Datenanalyse-Firma. Außerdem bemängelt die Stiftung Warentest die englische Datenschutzerklärung und die fehlende rechtliche Aufklärung der Nutzer. Zudem seien die Informationen zu Datenverarbeitungszecken und zur Speicherdauer lückenhaft.
Ein Punkt, der bei Clubhouse auch immer wieder bemängelt wird: Rechtsextreme, rassistische und sexistische Äußerungen bleiben wohl oft ungeahndet.
An einer Stelle haben die Entwickler der Live-Podcast-App bereits nachgebessert: Wer bisher einem Freund oder einer Freundin eine Clubhouse-Einladung schicken wollte, musste das komplette Adressbuch mit Telefonnummern und Kontakten offenlegen. Jetzt können Nutzer selbst entscheiden, ob sie die Daten Clubhouse zur Verfügung stellen wollen oder nicht. Eine Telefonnummer kann auch manuell eingegeben werden, um damit eine Einladung zu verschicken.
Neue Live-Podcast-Apps
Spaces von Twitter
Clubhouse bekommt Konkurrenz von Twitter. Der Kurznachrichtendienst bietet seinen Nutzern die Möglichkeit über die Funktion „Spaces“ Live-Audio-Gespräche zu führen. Noch steckt das Ganze in der Entwicklung, dennoch kann bereits jeder, egal ob mit iOS oder Android, einem Space beitreten und zuhören. Eine kleine Gruppe an iOS-Nutzern kann aktuell einen „Space“, also einen Gesprächsraum, eröffnen. In naher Zukunft soll das für alle möglich sein. Spaces sind öffentlich, es können also auch Nutzer beitreten, die dem Host nicht folgen. In einem Space dürfen bis zu elf Personen gleichzeitig sprechen. Wie bei Clubhouse können auch bei der Twitter-Version Zuhörer ein Handzeichen geben, wenn sie sprechen wollen. Der Host kann dann die Erlaubnis erteilen. Spaces ist sogar für gehörlose oder schwerhörige Menschen zugänglich. Wenn die jeweiligen Sprecher vorher die Erlaubnis geben, dass ihr gesprochenes Wort als Untertitel erfasst wird, dann haben die Zuhörer die Möglichkeit diese Option zu nutzen.
Auch Facebook arbeitet laut New York Times an einer Clubhouse-Kopie. Mark Zuckerberg, der Chef von Facebook interessiert sich sehr für neue Kommunikationswege und war auch selbst schon auf Clubhouse unterwegs. Mitarbeiter von Facebook seien laut einer anonymen Quelle beauftragt worden ein ähnliches Produkt wie Clubhouse zu erstellen. Die Entwicklung befindet sich momentan aber wohl noch in einer sehr frühen Phase.
“We’ve been connecting people through audio and video technologies for many years and are always exploring new ways to improve that experience for people” Facebook-Sprecherin Emilie Haskell
Facebook ist bekannt dafür neue Funktionen von sozialen Netzwerken zu kopieren. So enthält beispielsweise Instagram, das seit 2012 zu Facebook gehört, verschiedenen Funktionen wie wir sie von TikTok, Vine oder auch Snapchat kennen.
Stereo
Die App Stereo ist bereits seit letztem Jahr verfügbar. Im Gegensatz zu Clubhouse ist die App sowohl für iOS als auch für Android verfügbar. Stereo verbindet Live-Talks mit Podcasts. Die Gespräche können nämlich aufgezeichnet und später als fertige Audiodatei veröffentlicht werden. Nutzer der App können außerdem Sprachaufnahmen machen und dem Host eines Gesprächs zuschicken. Der wiederum kann die Aufnahmen direkt in den Live-Talk einbauen. Ein großer Unterschied zu Clubhouse: Bei Stereo sind die Nutzer nicht mit einem eigenen Profilbild unterwegs, sondern mit Avataren, die sie selbst gestalten können. Kaum einer verwendet seinen richtigen Namen, was das Ganze ziemlich undurchsichtig macht. Es wirkt definitiv nicht so organisiert und seriös wie auf Clubhouse.
LinkedIn und Spotify
Auch LinkedIn hat bestätigt an einer Live-Podcast-Funktion zu arbeiten. Das Ganze wird sogar schon in der App getestet. Hier soll es allerdings Unterschiede zu Clubhouse geben, vor allem weil die Nutzer mit der beruflichen Identität und nicht mit einem sozialen Profil verbunden sein werden. Im Mittelpunkt sollen bei LinkedIn Kreative stehen, die sich mit anderen vernetzen und austauschen wollen.
Auch Spotify reiht sich bei den Konkurrenten zu Clubhouse ein. Der Audio-Streaming-Dienst hat Betty Labs übernommen. Das sind die Entwickler von Locker Room, einer App für Sportfans und Insider. Hier können sich die Nutzer in Live-Audio-Gesprächen über die neusten Nachrichten aus der Sportwelt oder ihr Lieblingsteam unterhalten. Die Übernahme soll Spotifys Eintritt in den Live-Audio-Bereich beschleunigen. Die App wird weiterentwickelt und soll Sportlern, Schriftstellern, Musikern, Songwritern, Podcastern und vielen anderen Menschen die Möglichkeit bieten sich in Echtzeit zu verbinden und auszutauschen. Die Gespräche sollen dabei direkt auf Spotify veröffentlicht und langfristig verfügbar gemacht werden.
Auch Telegram und Discord arbeiten an einem Live-Podcast-Format.
Zukunft von Live-Podcasts
Audio-Formate werden immer beliebter und auch die CEOs der großen Medienunternehmen sehen hier vielfältigen Möglichkeiten. Nicht umsonst arbeiten fast alle fleißig an Apps und Funktionen, die es möglich machen, Live-Podcasts zu starten. Der Hype um Clubhouse ist zwar spürbar zurückgegangen, die App können aber bisher auch nicht alle Smartphone-Besitzer nutzen. Es wird spannend zu sehen sein, welche Formate sich am Ende durchsetzen und welches Unternehmen mit seiner App die Menschen am meisten überzeugt.
Ich persönlich habe die Clubhouse-App auf meinem Smartphone noch nicht deinstalliert. Ich schaue aber im Vergleich zum Anfang wirklich nur noch sehr selten rein. Die Themen sind nicht wirklich interessant oder werden zum 100sten Mal diskutiert. Außerdem habe ich das Gefühl, dass sich viele Sprecher und Moderatoren sehr gerne selbst sprechen hören. Menschen aus dem Publikum, die gerne etwas zum Thema beitragen wollen, kommen oft gar nicht zu Wort. Ich bin ein großer Fan von Audio-Formaten, deshalb bin ich gespannt darauf, was sich die Konkurrenz von Clubhouse alles einfallen lässt. Ich hoffe natürlich, dass mich eine App langfristig überzeugen kann.
Hinterlasse einen Kommentar